Wo Worte an ihre Grenzen kommen
Wenn es darum geht psychedelische Erfahrungen zu beschreiben, ob durch Worte, Musik, Bilder oder andere Formen der Kunst, kommen wir schnell an unsere Grenzen.
Wer selber schon einmal psychedelische Erfahrungen hatte wird sich viel eher etwas unter den Tripbeschreibungen und Kunstwerken welche veränderte Bewusstseinszustände thematisieren vorstellen können. Aber wie können wir diese unglaublichen Erfahrungen und Erkenntnisse Menschen vermitteln welche noch nie eine ähnliche Erfahrung hatten? Hierfür ist ein mögliches Mittel die Verwendung von Vergleichen welche oft wiederrum nur die Unbeschreibbarkeit selbst verdeutlichen. Wie kann man jemandem erklären wie sich Sex anfühlt der selber noch nie Sex hatte? Damit können viele Menschen die noch keine psychedelischen Erfahrungen hatten eher etwas anfangen. Oder wie beschreibt man den Geschmack einer Erdbeere jemandem der noch nie eine gegessen hat? Süß, Fruchtig, ja und was noch? Wieviel sagen die Wörter Süß und Fruchtig über den Geschmack wirklich aus? Treibt man das ganze auf die Spitze “Wie beschreibt man den Geschmack einer Erdbeere jemandem der noch nie geschmeckt hat? Der nicht weiß was Essen überhaupt ist?” wird deutlich das es einfach absolut unmöglich ist die Erfahrung des Erdbeer-Essens zu begreifen ohne sie gemacht zu haben.
Durch die psychedelische Erfahrung selbst ist mir aber auch noch viel bewusster geworden das selbst wenn es um nicht-psychedelische Erfahrungen geht die Möglichkeiten der Beschreibung sehr begrenzt sind. Die menschliche Erfahrung an sich ist einfach so unendlich Facettenreich und komplex das jedes Wort die Realität auf einen Bruchteil der tatsächlichen Erfahrung herunter bricht.
Vergleiche können uns dabei helfen unglaubliche Erfahrungen besser greifbar zu machen
So verhält es sich mit der psychedelischen Erfahrung auch. Selbst die jenigen welche die Erfahrungen gemacht haben können sich im Nachhinein nicht mehr wirklich in das psychedelische Erleben hineinversetzen. Es bleibt ein Moment welcher so flüchtig ist wie der Duft einer Erdbeere.
Eine weitere Erfahrung welche nicht ansatzweise begreifbar ist für die jenigen welche sie nicht gemacht haben ist wahrscheinlich der Aufenthalt im Weltraum, einerseits natürlich die Schwerelosigkeit und dann die Erfahrung ausgelöst durch den beeindruckenden Anblick der Erde von Außen, der sogenannte Overview-Effekt. Astronauten haben ihre Erfahrung im Weltraum immer wieder auf sehr ähnliche Weise beschrieben.
„Es ist so unfassbar schön, das man eigentlich neue Wörter bräuchte die das beschreiben können. Man ist überwältigt.“
„Wenn wir auf die Erde aus dem Weltraum herabschauen, sehen wir diesen erstaunlichen, unbeschreibbar schönen Planeten – der wie ein lebender, atmender Organismus aussieht. Aber gleichzeitig sieht sie sehr verletzlich aus.“ … „Jeder, der einmal im Weltraum war, sagt dasselbe, denn es ist sehr eindrucksvoll, sehr ernüchternd, diese papierdünne Hülle zu sehen und zu realisieren, dass diese papierdünne Hülle jedes lebende Wesen auf der Erde vor dem Tode bewahrt, vor der Unwirtlichkeit des Weltraums.“

Overview-Effekt wird die Erfahrung genannt die Astronauten machen wenn sie zum ersten mal die Erde aus dem Weltall betrachten.
Die Astronauten beschreiben nach ihren Erfahrungen tiefe philosophische und spirituelle Einsichten. Der Blick auf die Erde von Außen rückt alles in eine andere Perspektive. Die Verbundenheit allen Lebens wird erkannt und gleichzeitig die Verletzlichkeit unseres winzigen Heimatplaneten. Die Beschreibungen des Overview-Effekts ähneln in verblüffender Weise den Beschreibungen der psychedelischen Erfahrung von Psychonauten. Ja der Begriff Psychonaut kommt natürlich auch nicht von ungefähr. Menschen welche ihre eigene Psyche, das menschliche Bewusstsein, die Seele erkunden, so wie auch Entdecker die Welt und Astronauten das Weltall erkunden, nennt man Psychonauten. Der Begriff Psychonaut tauchte übrigens 1970 zum ersten mal auf, damals schrieb der deutsche Autor Ernst Jünger in seinem Essay Annäherungen: Drogen und Rausch über die Meskalin Erfahrungen von Arthur Heffter. Heffter machte seine ersten Meskalin Erfahrungen in Leipzig wo er auch als erster Mensch 1896 Meskalin aus Kakteen isolierte.
In seinem Buch LSD – Mein Sorgenkind schreibt der Entdecker des LSD Albert Hofmann:
„Der Ausdruck Psychonaut ist gut gewählt, weil der Innenraum der Seele genauso unendlich und geheimnisvoll ist wie der äußere Weltraum und weil die Kosmonauten des äußeren wie des inneren Weltraums nicht dort verbleiben können, sondern auf die Erde, ins Alltagsbewußtsein zurückkehren müssen. Auch verlangen beide Fahrten eine gute Vorbereitung, damit sie mit einem Mindestmaß an Gefahr durchgeführt werden können und zu wirklich bereichernden Unternehmen werden.“
und bezieht sich dabei auf einen LSD-Erfahrungsbericht von Rudolf Gelpke mit dem Titel „Fahrten in den Weltraum der Seele“. Hofmann macht damit noch weitere spannende Paralellen zwischen psychedelischen Erfahrungen und dem Overview-Effekt deutlich. Der Vergleich wird immer wieder verwendet um transpersonale Bewusstseinszustände nachvollziehbarer zu machen. Robin Carhart-Harris erwähnt in einem Vortrag bei der ICPR2020 den Overview-Effekt in Zusammenhang mit psychedelischen Erfahrungen.
Der Overview-Effekt als nützliche Analogie
Indem wir den Overview-Effekt als Analogie für die psychedelische Erfahrung nutzen wird die Tragweite und Bedeutsamkeit der Erfahrung etwas deutlicher für Menschen welche sie nie hatten. Die meisten haben auch den Overview-Effekt nie selbst erlebt aber die Erfahrung ist näher an der Lebensrealität vieler Menschen als es psychedelische Erfahrungen sind. Dank der weltbekannten Bilder der Erde aus dem All und den berührenden Beschreibungen von Astronauten können wir zumindest einen Hauch des Gefühls nachempfinden.
Wir können in den Nachthimmel blicken und die Unendlichkeit erahnen. Die Unendlichkeit ganz direkt zu erleben ist aber etwas anderes. Psychedelische Zustände werden auch oft mit Zuständen ausgelöst durch Meditation verglichen. Meditation kann wie so ein Blick in den Nachthimmel sein aber um wirklich fliegen zu lernen und von der Erde abzuheben, in die Unendlichkeit einzutauchen, braucht es jahrelange Praxis und Disziplin. Psychedelika sind tatsächlich eher wie eine Rakete in die Unendlichkeit, sie bringen dich direkt hinein. Nach der Landung ist es deshalb umso wichtiger die Erfahrungen in das eigene Leben zu integrieren. Und bei der Integration spielt die Beschreibung und Kommunikation der Erfahrung eine wichtige Rolle, weshalb die passenden Worte und Vergleiche wichtig sind.
Letztlich ist der Overview-Effekt auf eine neue Perspektive, eine nicht alltägliche Erfahrung zurück zuführen. Und genau das ermöglichen uns Psychedelika auch, eine Draufsicht auf uns Selbst und das Leben. Auch in Zukunft wird kaum einer die Möglichkeit haben einen Blick auf die Erde von Außen zu erhaschen, Psychedelika sind hier weitaus geeigneter mehr Menschen eine neue Perspektive zu eröffnen. Es gibt auch Bemühungen den Overview-Effekt erlebbar zu machen ohne den Einsatz psychedelischer Substanzen. Mit dem Projekt Spacebuzz unterstützt von ESA, der Overview-Effect Foundation und dem niederländischen Weltraumbüro wird versucht mehr Menschen auf der ganzen Welt eine Erfahrung ähnlich dem Overview-Effekt zu ermöglichen. Dabei soll VR-Technologie verwendet werden.
Außergewöhnliche Erfahrungen welche tiefe spirituelle und philosophische Einblicke gewähren können dabei helfen ein erfülltes Leben zu führen.
Aktuelle psychedelische Forschung hat Zusammenhänge zwischen dem Auftreten mystischer Erfahrungen und manchen positiven Effekten von Psilocybin-Therapie entdeckt. Viele sehen in der mystischen Erfahrung und der spirituellen Dimension von Psychedelika einen Hoffnungsschimmer für den Umgang der Menschheit mit dem Planeten. Einheitserfahrungen und intensivierte Naturverbundenheit könnten zu mehr Umweltbewusstsein und Empathie führen.
Der Overview-Effekt und psychedelische Erfahrungen sind also vielleicht Katalysatoren für ein Umdenken der Menschen welche eine Wichtige Rolle beim Lösen unserer globalen Probleme haben könnten.
Wenn du also das nächste mal anderen Menschen von deinen Erkundungen des “Weltraums der Seele” erzählen möchtest dann mache dir Vergleiche zu nutze. Erzähl vom Overview-Effekt und wie sich dieser auf Astronauten ausgewirkt hat, möglicherweise können deine Mitmenschen die Berichte aus dem Hyperraum dann etwas besser nachvollziehen.
Quellen:
Overview-Effekt
Psychonaut
transpersonale Bewusstseinszustände
Overview-Effekt in Zusammenhang mit psychedelischen Erfahrungen
Raumfahrt, psychotrope Substanzen, Psychedelik und Aliens